Sofortimplantation und -belastung in der ästhetischen Zone

Klinischer Fallbericht von Dr. Harald Fahrenholz

Über den Autoren

Der Wiener Spezialist Dr. Harald Fahrenholz ist seit mehr als dreißig Jahren in der zahnärztlichen Implantologie tätig. In den letzten drei Jahrzehnten hat er in verschiedenen Zahnarztpraxen gearbeitet und einige von diesen geleitet. Heute hält Dr. Fahrenholz neben seiner täglichen klinischen Arbeit in seiner eigenen Praxis "Zahnästhetik am Kohlmarkt" im ersten Wiener Gemeindebezirk, in der er einen streng biologischen Therapieansatz verfolgt, auf zahnmedizinischen Kongressen weltweit Vorträge über Implantatbehandlungen und Implantatprothetik. 

Kontakt
Zahnästhetik am Kohlmarkt
Kohlmarkt 7/1/4/34
1010 Wien, Österreich
+43 1 8905947 

https://www.zahnaesthetik-wien.at/

Implantologen müssen heute dem wachsenden Patientenwunsch nach langzeitgesundem und ästhetischem Zahnersatz, oftmals im Rahmen von Immediacy-Konzepten wie der Sofortimplantation und -belastung, gerecht werden. Im Folgenden wird ein Fall vorgestellt, in dem die ästhetisch relevante Zone einer Patientin mit einem zweiteiligen Keramikimplantatsystem versorgt wurde, das bereits seit über zehn Jahren integraler Bestandteil des Versorgungsangebots des Autors ist. In klinischen Studien hat dieses Implantatsystem gesunde und stabile Hart- und Weichgewebsverhältnisse sowie eine exzellente Ästhetik gezeigt.[1, 2] Somit ist es ideal für die hier beschriebene Indikation geeignet.

Ausgangssituation

Die 41-jährige Patientin stellte sich im Oktober 2021 in der Praxis des Autors vor. Aufgrund einer insuffizienten endodontischen Versorgung in Regio 11 wünschte sie sich in diesem Bereich eine Restauration mit einem Einzelzahnimplantat (Abb. 1 und 2). Die röntgenologische Diagnostik mittels DVT bestätigte, dass ein ausreichendes Knochenangebot in Regio 11 für die geplante Implantatinsertion vorhanden war (Abb. 3).

Abbildung 1

Frontale Ansicht der Ausgangssituation.

Abbildung 2

Okklusale Ansicht der Ausgangssituation.

Abbildung 3

Röntgenologische Diagnostik.

Behandlungsplan

Der Behandlungsplan sah vor, die insuffiziente Versorgung zu entfernen, die verbleibende Zahnwurzel zu extrahieren und unmittelbar hiernach in die Extraktionsalveole ein zweiteiliges Keramikimplantat (Patent™ Implantatsystem, Zircon Medical Management) als Sofortimplantat zu inserieren. Weiterhin war geplant, den Glasfaserstift, der als Aufbau des verwendeten Implantatsystems dient, in derselben Behandlungssitzung chairside zu präparieren, intraoral zu zementieren und prothetisch mit einem provisorischen Zahnersatz zu versorgen, damit die Patientin die Praxis bereits bezahnt verlassen kann.

Chirurgisches Vorgehen

Unter örtlicher Betäubung wurde zunächst eine labiale Inzision in Regio 11 vorgenommen, um das Entfernen der insuffizienten Krone zu erleichtern (Abb. 4). Nach Entfernung der alten Kronenversorgung (Abb. 5) wurde die darunter liegende Zahnwurzel extrahiert (Abb. 6 und 7). Hiernach wurde die Extraktionsalveole sorgfältig kürettiert, um entzündliches Gewebe vollständig zu entfernen (Abb. 8). Die Osteotomie wurde anschließend gemäß des spezifischen Bohrprotokolls des Herstellers für die vorliegende Knochenklasse und unter Wasserkühlung präpariert (Abb. 9). Die vollständig präparierte Osteotomie wurde im Anschluss mit Ozon behandelt, um diese zu desinfizieren und zu sterilisieren (Abb. 10). Anschließend wurde das zweiteilige Keramikimplantat mit einem Durchmesser von 4,5 mm und einer Länge von 13 mm mit einer Einbringhilfe der Implantathülse entnommen (Abb. 11) und in die Osteotomie eingebracht (Abb. 12). Das Eindrehen des Implantats in den Knochen erfolgte unter Verwendung der Drehmomentratsche des Herstellers (Abb. 13). Dabei wurde ein Drehmoment von 35 Ncm nicht überschritten. Es wurde eine hohe Primärstabilität des inserierten Implantats erzielt (Abb. 14).

Abbildung 4

Labiale Inzision zur Entfernung der alten Kronenversorgung.

Abbildung 5

Freilegung der Zahnwurzel in Regio #11 durch Entfernen der Kronenversorgung.

Abbildung 6

Extraktion der Zahnwurzel.

Abbildung 7

Extraktion der Zahnwurzel.

Abbildung 8 

Sorgfältiges Kürettieren der Extraktionsalveole.

Abbildung 9

Die Osteotomie wurde gemäß des Bohrprotokolls des Implantatherstellers präpariert.

Abbildung 10

Ozonbehandlung des Implantatbetts.

Abbildung 11 

Entnahme des Implantats.

Abbildung 12

Einbringung des Sofortimplantats in die Osteotomie.

Abbildung 13

Eindrehen des Implantats mittels Drehmomentratsche.

Abbildung 14

Es wurde eine hohe Primärstabilität des inserierten Implantats erreicht.

Prothetische Versorgung und Einheilung

IUnmittelbar nach Einbringung des Implantats wurde der Glasfaserstift mithilfe eines Diamantbohrers extraoral vorpräpariert und zur Einprobe in die 3C-Implantatplattform des inserierten Implantats eingebracht. Die finale Präparation erfolgte intraoral (Abb. 15). Nach Einprobe der provisorischen Krone, die auf den inserierten Glasfaserstift aufgesetzt wurde, wurden sowohl Stift als auch Krone nochmals entfernt, um die 3C-Plattform des Implantats mit einem dualhärtenden Zement (RelyX Unicem 2, 3M ESPE) aufzufüllen und den Stift darin zu zementieren (Abb. 16). Überschüssiger Zement wurde entfernt und der Glasfaserstift lichtgehärtet (Abb. 17). Anschließend erfolgte die Isolierung des Stifts mit Vaselineöl und die Aufbringung und Befestigung der provisorischen Krone mithilfe eines provisorischen Zementgemischs (Abb. 18–20). Eine Woche nach dem chirurgischen Eingriff wurde die Patientin zu einem Nachsorgetermin in die Wiener Praxis des Autors einbestellt. Bereits zu diesem Zeitpunkt zeigte sich eine vorteilhafte und gesunde Weichgewebsreaktion um den Hals des eingesetzten Implantats. Nach erfolgreicher Osseointegration und einer komplikationsfreien Einheilzeit von drei Monaten erfolgte die finale prothetische Versorgung mit der definitiven Krone (Abb. 21 und 22). Bei der Nachsorgeuntersuchung nach zwölf Monaten wurden die Weichgewebeverhältnisse als gesund sowie stabil und das Endresultat nach ästhetischen Gesichtspunkten als zufriedenstellend beurteilt (Abb. 23).

Abbildung 15

Intraorale Präparation des Glasfaseraufbaus nach Einprobe.

Abbildung 16

Zementierung des präparierten Stifts.

Abbildung 17

Lichthärtung des Zements.

Abbildung 18

Zementierung der provisorischen Krone auf dem präparierten Glasfaseraufbau.

Abbildung 19

Frontale Ansicht der klinischen Situation nach provisorischer Versorgung.

Abbildung 20

Okklusale Ansicht der klinischen Situation nach provisorischer Versorgung.

Abbildung 21

Definitive Versorgung nach dreimonatiger Einheilung: Frontale klinische Ansicht.

Abbildung 22

Definitive Versorgung nach dreimonatiger Einheilung: Radiologische Ansicht des Endresultats.

Abbildung 23

Frontale klinische Ansicht der Abschlusssituation nach zwölf Monaten.

Diskussion

Das hier verwendete zweiteilige Implantatsystem aus Zirkoniumdioxid kommt in der Praxis des Autors standardmäßig und fast ausschließlich zum Einsatz. Dank seiner hochrauen enossalen Oberfläche ist eine vorhersagbare Knocheneinheilung zu erwarten.[3] Die Hauptherausforderung bei einer Sofortimplantation in der Front, wie sie in diesem Fall dargestellt ist, liegt darin, den Knochen – insbesondere die bukkale Wand – bei der Extraktion nicht zu zerstören. Auch ist eine korrekte Positionierung und Richtung des zu setzenden Implantats von großer Bedeutung, um zu verhindern, dass die Implantatspitze den bukkalen Knochen penetriert. Aus diesem Grund ist es notwendig, während der Präparation des Implantatbetts aus der Alveolenrichtung mehr palatinal zu bohren. Darüber hinaus wird das verwendete Implantat aufgrund seines Soft-Tissue-Level-Designs (auf Gingivaniveau) epigingival platziert, wodurch der Kronenrand während der gesamten prothetischen Versorgung gut einsehbar ist. Aus diesem Grund lässt sich überschüssiger Zement im Anschluss zur Zementierung des Glasfaserstifts einfach und restlos entfernen. Folglich ist das Risiko einer Zementitis durch subgingival liegende Zementanteile praktisch ausgeschlossen. Zudem wird durch eine epigingivale, und nicht zu tiefe, Implantatpositionierung eine zu starke Kompression auf den kortikalen Knochen, die sich nachteilig auf die marginale Knochenstabilität auswirken würde, vermieden.[4] Weiter bietet der Glasfaserstift, der als Aufbau in das zweiteilige Implantat zementiert wird, einen bedeutenden Mehrwert in puncto Stabilität: Mit seinem dentinähnlichen Elastizitätsmodul fungiert der Glasfaseraufbau als flexibles Dämpfungselement im Rahmen der Gesamtversorgung und er weiß einwirkende Kaukräfte vorteilhaft abzuleiten, wodurch das Frakturrisiko der Implantatkomponenten minimiert wird. Die Präparation des Stifts mithilfe eines Diamantbohrers ist deckungsgleich mit dem bekannten Vorgehen bei der Präparation von natürlichen Zähnen oder Wurzelstiftaufbauten.

Fazit

Mit dem hier verwendeten keramischen Implantatsystem lassen sich dank seiner zahnähnlichen Farbe und seiner vorteilhaften Weichgewebsintegration optimale Versorgungen in der ästhetisch relevanten Zone erzielen. Weiter ist dank des Soft-Tissue-Level-Implantatdesigns, welches keinen subgingivalen Mikrospalt aufweist, und des gewebefreundlichen und plaqueabweisenden Implantatmaterials Zirkoniumdioxid ein erfolgreiches Langzeitergebnis mit einem minimalen Risiko von biologischen Spätkomplikationen wie Periimplantitis oder marginalem Knochenverlust zu erwarten. Der Autor hat in der täglichen Praxis bei der Anwendung dieses Implantatsystems seit über zehn Jahren noch keinen Fall einer Periimplantitis erlebt.

Literatur:
1 Brüll F, van Winkelhoff AJ, Cune MS. Zirconia dental implants: a clinical, radiographic, and microbiologic evaluation up to 3 years. Int J Oral Maxillofac Implants. 2014 Jul-Aug;29(4):914-20. doi: 10.11607/jomi.3293. PMID: 25032772.
2 Becker J, John G, Becker K, Mainusch S, Diedrichs G, Schwarz F. Clinical performance of two-piece zirconia implants in the posterior mandible and maxilla: a prospective cohort study over 2 years. Clin Oral Implants Res. 2017 Jan;28(1):29-35. doi: 10.1111/clr.12610. Epub 2015 May 6. PMID: 25951536.
3 Glauser, R., Schupbach, P. Early bone formation around immediately placed two-piece tissue-level zirconia implants with a modified surface: an experimental study in the miniature pig mandible. Int J Implant Dent 8, 37 (2022). https://doi.org/10.1186/s40729-022-00437-z
4 Fiorillo L, Milone D, D’Andrea D, Santonocito D, Risitano G, Cervino G, Cicciù M. Finite Element Analysis of Zirconia Dental Implant. Prosthesis. 2022; 4(3):490-499. https://doi.org/10.3390/prosthesis4030040


Einzelzahnversorgung mit einem durchmesserreduzierten Zirkonoxidimplantat
Dr. Roland Glauser (CH)